Die Komposition „Trotz Reaktion“ entstand zu Beginn meines Aufenthaltes in der Villa Massimo im Februar 1994. Aus einer Phase ziemlicher Belastung durch Konzerte u. ä. in Leipzig kam ich sehr unvermittelt nach Rom, ohne von Terminen und Aufgaben geplagt zu sein. In den ersten Tagen verhielt ich mich in Rom vorwiegend als Tourist, bewaffnet mit Stadtplan und Kunstreiseführer durchstreifte ich die Stadt. Doch plötzlich brach ich irgendwie genervt dieses „Programm“ ab und blieb in der Villa. In sehr kurzer Zeit komponierte ich zwei Stücke, eines für Streichquartett (mit dem Titel „Fest-gefressen“) und „Trotz Reaktion“. Beide Stücke sind sehr persönliche Reaktionen auf das, was Rom und überhaupt Italien (wo ich zuvor noch nicht war) für mich in diesem Moment darstellte mit seiner Kultur, seiner Kunst und seinem Leben.

Mehr oder weniger auf sich allein gestellt, aus gewohnter Umgebung und aus eingespieltem Rollenverhalten herausgenommen fragte man sich plötzlich Dinge, die vorher irgendwie tabu waren. Antworten habe ich keine gefunden, aber doch wenigstens einige Fragen. Die beiden Stücke entstanden sozusagen während dieses Prozesses des Findens.

(Steffen Schleiermacher, 1994)